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883-44-13

Theodor Kardinal Innitzer im Namen des österreichischen Epsikopats, Wien 29.09.1933

Beschreibung
Autor Theodor Innitzer
Art des Dokuments BriefBerichtTelegrammArchivsnotizProvvistaPro MemoriaÜbersetzung
Ausführung maschinenschriftlichhandschriftlichgesetzt
Status des Dokuments ReinschriftKonzeptAbschrift
Quelle AA.EE.SS, Periodo IV, Austria Ungheria, Pos. 883, Fasc. 44, Fol. 13r - 26r
Interne Nummerierung 2836/33

Zitiervorschlag

Theodor Kardinal Innitzer im Namen des österreichischen Epsikopats, Wien 29.09.1933; AA.EE.SS, Periodo IV, Austria Ungheria, Pos. 883, Fasc. 44, Fol. 13r - 26r in: Kritische Digitale Edition der Nuntiaturberichte Pius XI. und Österreich. Herausgegeben vom Österreichischen Historischen Institut in Rom, bearbeitet von Bernhard Kronegger. Zugriff:

Regest

Theodor Innitzer legt dem Heiligen Stuhl im Namen des österreichischen Episkopats eine Stellungnahme zum Nationalsozialismus vor. Das Dokument unterstreicht die fortwährende Ablehnung der nationalsozialistischen Ideologie durch die österreichische Bischofskonferenz und verweist auf frühere Verurteilungen, insbesondere durch das gemeinsame Hirtenschreiben vom 7. Februar 1932 sowie den Hirtenbrief von Bischof Johannes Maria Gföllner vom 21. Jänner 1933. Die Bischöfe betonen vier Grundprinzipien: die Einheit der Menschheit, einen gottgewollten christlichen Nationalismus, die Unterscheidung von Staat und Nation und die Übernationalität der Religion.

Die österreichischen Bischöfe sehen im Nationalsozialismus einen materialistischen Rassenwahn, und eine unchristliche Form des Nationalismus. Im Gegensatz zur Situation in Deutschland, wo der Episkopat mit einer nationalsozialistischen Regierung interagieren müsse, bleibe der Nationalsozialismus in Österreich eine verbotene Partei ohne staatliche Legitimität. Die Bischöfe betonen daher, dass sie in ihrer Ablehnung der nationalsozialistischen Irrtümer keine Revision ihrer Haltung vornehmen.

Das Dokument schildert zudem die staatsfeindlichen Aktivitäten der Nationalsozialisten in Österreich, darunter illegale Propaganda, subversive Strukturen und gewaltsame Aktionen wie Bombenanschläge und Attentate. Die Bewegung wird als Bedrohung der staatlichen Ordnung und der politischen Unabhängigkeit Österreichs angesehen. Insbesondere heben die Bischöfe hervor, dass der Nationalsozialismus nicht nur eine politische Herausforderung, sondern auch eine Gefahr für die katholische Glaubenstreue darstelle.

Die Erklärung stellt sich ausdrücklich hinter die Regierung des sogenannten Ständestaates, die katholisch geprägt sei und im Sinne der Soziallehre der Enzyklika „Quadragesimo anno“ handeln würde. Die Bischöfe begrüßen die Maßnahmen der Regierung, die eine christliche Gesellschaftsordnung fördern, darunter Reformen im Schul- und Ehewesen sowie die Reorganisation des Heeres im katholischen Geist.

Abschließend erbitten die Bischöfe eine klare lehramtliche Stellungnahme des Heiligen Stuhls über den Nationalsozialismus und kündigen ein gemeinsames Hirtenwort an, das die Gläubigen zur Treue gegenüber der bestehenden Staatsordnung ermahnen soll.

Nationalsozialismus Katholische Aktion Quadragesimo anno Innitzer Gföllner Anschluss Verfassungsreform 


Text

— Folio 13 recto 📄 —
INSERTO al N. 15.261/726. Con allegata
Lettera Pastorale del Vescovo di Linz

Pro m e m o r i a.

Über Aufforderung des Heiligen Apostolischen Stuhles erlaubt sich der österreichische Episkopat, seine Auffassung über den Nationalsozialismus im allgemeinen und insbesondere in Österreich im folgenden in aller Ehrfurcht und Ergebenheit gegen den Heiligen Apostolischen Stuhl darzulegen.

[Kapitel I.:] Grundsätzliche Stellungnahme.

Jn der grundsätzlichen Auffassung über das Wesen, die Bestrebungen und Ziele des Nationalsozialismus im allgemeinen schliesst sich der österreichische Episkopat zunächst den anfänglichen Kundgebungen des reichsdeutschen Gesamtepiskopates vollinhaltlich an, insoweit darin grundsätzlich zu den Jrrtümern des Nationalsozialismus Stellung genommen wurde. Die österreichischen Bischöfe haben sodann schon in einem gemeinsamen Hirtenschreiben vom 7. Februar 1932 vor dem Nationalsozialismus eindringlich gewarnt, seine Hauptirrtümer angedeutet, seine masslosen Übertreibungen hervorgehoben und auf die ernsten Folgen aufmerksam gemacht, die mit seinem Siege verbunden wären.

Jnsbesondere aber steht der österreichische Episkopat einheitlich und geschlossen auf dem Standpunkt jener theoretischen Grundsätze und praktischen Folgerungen, die im Hirtenbrief „Über wahren und falschen Nationalismus“

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des Hochwürdigsten Herrn Bischofes Johannes Maria GFÖLLNER von Linz vom 21. Jänner 1933 zum Ausdruck kommen; 3 Exemplare dieses Hirtenbriefes liegen hier bei.

Die Hauptgedanken des Hirtenbriefes kommen in folgenden 4 Grundwahrheiten zum Ausdruck:

  • 1.) Die Menschheit ist eine einheitliche Familie.
  • 2.) Der wahre christliche Nationalismus ist von Gott gewollt und wird von der Kirche gebilligt.
  • 3.) Nation und Staat sind verschieden und der Staat ist über der Nation.
  • 4.) Über allem Nationalismus steht die Religion, die nicht national, sondern übernational ist.

Über den Nationalsozialismus als System fällt der Hirtenbrief das abschliessende Urteil: Der Nationalsozialismus krankt innerlich an materialistischem Rassenwahn – an unchristlichen Nationalismus – an nationalistischer Auffassung der Religion; sein religiöses Programm weisen wir darum zurück, umso mehr als neuestens der Nationalsozialismus in Deutschland durch das Sterilisationsgesetz sich in schroffen Gegensatz zur katholischen Moral gestellt hat.

Der österreichische Episkopat hält an den Grundsätzen dieses Hirtenbriefes auch jetzt nioch fest, obwohl es scheinen könnte, dass sie seit der politischen Neuordnung in Deutschland und durch die seitdem erflossenen Kundgebungen des deutschen Episkopates teilweise desavouiert wären.

Zunächst hat ja auch der deutsche Episkopat in seiner neuen Stellungnahme zu der politischen Neugestaltung seine grundsätzliche Verurteilung der theoretischen Jrrtümer

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des Nationalsozialismus ausdrücklich aufrecht erhalten und in keiner Weise abgeschwächt.

Sodann war in Deutschland die praktische Stellungnahme des Episkopates zur neuen Regierung und obersten Staatsgewalt eine wesentlich andere als in Österreich.

Jn D e u t s c h l a n d stand der Episkopat nicht mehr einer blossen politischen Partei gegenüber, sondern der Regierung und Staatsgewalt als solcher, die allerdings aus der politischen nationalsozialistischen Partei hervorgegangen und ausschliesslich von ihr repräsentiert war. Einer legalen staatlichen Obrigjkeit gegenüber konnte und musste auch der Episkopat jene amtliche Stellung einnehmen, die die christliche Staatslehre gebietet und die die Kirche von jeher in ähnlichen Fällen eingenommen hatte.

Der deutsche Episkopat konnte dies um so leichter tun, als durch die amtliche Erklärung des deutschen Reichskanzlers Hitler die Freiheit und Rechte der katholischen Kirche ausdrücklich garantiert worden waren.

Jn Ö s t e r r e i c h dagegen lagen und liegen bis zur Stunde die Verhältnisse wesentlich anders. Hier bildeten die Nationalsozialisten lediglich eine politische Partei, die gleich anderen politischen Parteien nach politischer Machtstellung strebte und noch immer strebt.

Jn der Regierung als solcher war jedoch die nationalsozialistische Partei nicht vertreten, ja es wurde ihr durch die gegenwärtige Regierung jedwede politische Betätigung von Amtswegen verboten, so dass für den österreichischen Episkopat die nationalsozialistische Partei als solche

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formell und amtlich nicht mehr in Betracht kommt.

Während also der deutsche Episkopat einer nationalsozialistischen Regierung gegenüber steht, steht der österreichische Episkopat weder einer nationalsozialistischen Partei und noch viel weniger einer solchen Regierung gegenüber, so dass er in seiner Stellungnahme dem Nationalsozialismus gegenüber lediglich durch seine grundsätzliche Einstellung im obigen Sinne geleitet ist.

Was insbesondere den Abschluss des reichsdeutschen Konkordatens anlangt, so vertritt selbstverständlich auch der österreichische Episkopat den Standpunkt, dass dieses Konkordat nicht mir der nationalsozialistischen Partei, sondern mit der Regierung und legalen Staatsgewalt abgeschlossen wurde und dass es lediglich die Rechtsverhältnisse zwischen Staat und Kirche ordnet, aber keinerlei grundsätzliche Stellungnahme oder gar Anerkennung der nationalsozialistischen Grundsätze und Bestrebungen bedeutet. Darum sieht sich auch der österreichische Episkopat durch die plolitische Neuordnung in Deutschland in seiner grundsätzlichen Ablehnung und Verurteilung der nationalsozialistischen Jrrtümer und Bestrebungen in keiner Weise behindert oder zu einer Neuorientierung veranlasst.

[Kapitel II.:] Die politische Situation des Nationalsozialismus in Österreich.

Die politischen Ziele und Bestrebungen der nationalsozialistischen Partei in Österreich waren von allem Anfange an gegen die politische Selbstständigkeit und Unabhängigkeit

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Österreichs gerichtet. Das Hauptziel war von jeher, nach dem politischen Schlagwort „Ein Volk- ein Reich“, die Angliederung Österreichs an Deutschland und die Eingliederung in die gemeinsame Regierung, sobald und soweit es die internationalen Verhältnisse und Verträge ermöglichen und gestatten.

Diesen Zielen und Betrebungen trat die gegenwärtige österreichische Regierung von Anfang an mit aller Entschiedenheit, Offenheit und Konsequenz entgegen, insbesondere durch das politische Verbot der nationalsozialistischen Partei und die entsprechenden praktischen Massnahmen.

Diese Auffassung und Stellungnahme der Regierung gewann von Anfang an die wärmsten Sympathien des Volkes, die stetig zunahmen und gegenwärtig bei dem weitaus grössten Teil des Volkes herrschend und noch immer in Zunahme begriffen sind.

Auch der österreichische Episkopat billigt und fördert seinerseits vom katholischen und kirchlichen Standpunkt aus diese Stellungnahme und diese Bestrebungen der Regierung.

Die politische Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs ist nicht nur staatspolitisch und völkerrechtlich garantiert, sondern auch historisch gerechtfertigt durch die nationale Eigenart des Österreichertums, dem eine besondere Mission des Friedens und der Kultur in Europa zugewiesen erscheint; insbesondere aber legen auch kirchliche und religiöse Jnteressen eine solche politische Unabhängigkeit nahe.

Österreich ist in seiner erdrückenden Mehrheit katholisch,

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die katholische Glaubensidee ist wenig von einer protestantischen Umwelt beeinflusst, das katholische Glaubensleben entfaltet sich freier, zum Unterschied von Deutschland, wo die geistige protestantische Umwelt und das notwendige Zusammenleben mit Akatholiken erfahrungsgemäss die Reinheit des Glaubens und die volle ungehinderte Entfaltung des katholischen Glaubenslebens und die volle ungehinderte Entfaltung des katholischen Glaubenslebens beeinflussen und beeinträchtigen, teilweise sogar einem bedauerlichen religiösen Jnterkonfessionalismus und Jndifferentismus die Wege ebnen.

Sowohl geschichtlich als politisch ist Österreich mit dem Katholizismus viel inniger verbunden und will dieser seiner geschichtlichen Tradition auch jetzt treu bleiben umsomehr, als die gegenwärtige Regierung in jeder Hinsicht und energisch bemüht ist, die katholischen Grundsätze zur Grundlage für den Aufbau des Staates in ausgesprochen christlichem Sinne zu nehmen.

Diese politische Grundauffassung des Episkopates und der Mehrheit des Volkes begegnet selbstverständlich dem schärfsten Widerstand der Nationalsozialisten und der ihnen nahestehenden politischen Kreise.

Die äussere politische Tätigkeit der Nationalsozialisten ist zwar durch das staatliche Verbot behindert und in den Hintergrund gedrängt, aber durchaus nicht erloschen oder lahmgelegt. Eine ständige geheime und offene Einflussnahme, Aufmunterung und Förderung seitens der nationalsozialistischen Partei uin Deutschland, ja offiziöser und offizieller Kreise dortselbst ermutigt und treibt unterbrochen die hiesigen Nationalsozialisten an, ihre geheime, staatsfeindliche

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und insbesondere österreichfeindliche Wühlarbeit mit dem ausgesprochenen Ziele des Sturzes gegenwärtigen Regierung und der Erringung der politischen Machtstellung nach dem Beispiele Deutschlands fortzusetzen und zu steigern. Kein Mittel erscheint hiefür zu schlecht. Wenn auch staatlich verboten, setzt dennoch die Partei im geheimen und unter verschiedenen Formaen und Namen ihre staatsfeindliche Betätigung fort. Namentlich Angehörige der sog. intelligenten Kreise, Hochschul- und Mittelschulprofessoren, Lehrer, Beamte, akademisch Gebildete suchen immer wieder ihre nationalsozialistischen Jdeen und Pläne zu verbreiten und vor allem auch die studierende Jugend in ihren Bann zu ziehen, was ihnen leider vielfach gelungen ist. Sehr geschickt nützen sie dabei auch die Abneigung der einheimischen Bevölkerung gegen das Judentum aus und betören das Volk durchh abenteuerliche Versprechungen wirtschaftlicher Natur.

Vielfach sind es die Anhänger des Liberalismus und eines übersteigerten deutschen Nationalismus, die jetzt auf dem Umwege des Nationalsozialismus ihre Weltanschauung und ihre politischen Jdeale zu verwirklichen trachten; ganz besonders aber sind die ehemaligen Apostel der sog. „Los-von-Rom-Bewegung“ auch die eifrigsten Verfechter des Nationalsozialismus und der liberale und schismatische Grundcharakter der angeblich nationalen Bewegung tritt immer wieder hervor.

Ein Sieg des Nationalsozialismus würde sich in der Gesetzgebung entschieden in kirchenfeindlichem Sinne auswirken.

Ausser den geistigen Propagandamitteln bedient sich aber der Nationalsozialismus in Österreich auch ganz offen verschiedener Gewaltmittel. Eine fast ständige Beunruhigung und

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Belästigung der friedlichen Bevölkerung erfolgt durch eigene sog. Klebe-Kolonnen, die überall auf Wegen und Strassen, Gebäuden und selbst kirchlichen Bauten hochverräterische und revolutionäre Propagandazettel aufkleben.

Ferner suchen die Nationalsozialisten bei jeder Gelegenheit beunruhigende Gerüchte unter der Bevölkerung zu verbreiten, um das Vertrauen zur Regierung zu erschüttern; selbst an Auffoerderungen zu ungesetzlichen Methoden und Aktionen fehlt es nicht.

Sie gehen aber auch zu gewaltsamen Taten über, vergewaltigen friedliche Anhänger staatstreuer Organisationen und Angehörige legaler staatlicher Formationen; ja selbst terroristische Überfalle und Gewaltakte mit Bomben und Handgranaten kamen wiederholt vor und beunruhigten das öffentliche Leben und störten die staatliche Ordnung im höchsten Grade.

Jmmer und immer wieder müssen auf Grund der staatlichen und polizeilichen Erlasse und Vorschriften zahlreiche Verhaftungen nationalsozialistischer Parteiangehöriger vorgenommen werden; Amtsenthebungen, Entziehung des Bürgerrechtes, Disziplinaruntersuchungen sind an der Tagesordnung. Zahlreiche Freunde und Anhänger der Partei flüchten in der Regel auf illegalen Wegen und im geheimen nach Deutschland, wo sie bessere materielle Existenzbedingungen erhoffen und gegen Österreich eine unglaublich verlogene Greuelpropaganda unterstützen; nicht wenige von solchen politischen Flüchtlingen treten dann in Deutschland der sog. österreichischen Legion bei, einer militärisch organisierten Truppe, die immer wieder mit kriegerischen Überfällen auf das österreichische Grenzgebiet droht.

Diese Drohungen werden auch von der österreichischen

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— Folio 21 recto 📄 —

Regierung ernst genommen, weshalb namentlich in letzterer Zeit die Grenzgebiete militärischen Schutz erhielten, um die Bevölkerung zu beruhigen und für alle Fälle gerüstet zu sein.

Alle diese offenkundigen Tatsachen erweisen zur Genüge, den ausgesprochen staatsfieindlichen, revolutionären und geheimen freimaurerischen Charakter des österreichischen Nationalsozialismus, der darum keine blosse parteipolitische Bewegung nach dem Beispiel anderer politischen Parteien darstellt, sondern in eine offenkundige Revolutionsbewegung gegen die bestehende staatliche legale Gewalt und Verfassung ausartet. Träte die Regierung diesem Treiben nicht energisch entgegen, so hätten wir wohl in Österreich bald einen Bürgerkrieg mit all seinen bitteren Folgen, ja Österreich könnte überhaupt Kriegsschauplatz werden.

Nach Anschauung des österreichischen Episkopates ist darum eine Mitgliedschaft und aktive Teilnahme an den Bestrebungen des Nationalsozialismus wenigstens in Österreich unvereinbar mit dem katholischen Gewissen und mit den fundamentalsten Pflichten eines loyalen Staatsbürgers, die jedwede revolutionäre Beseitigung der legalen Staatsgewalt und jede Schädigung des Gemeinwohles ausschliessen.

Es wäre daher höchst wünschenswert, wenn die höchste Autorität des Apostolischen Stuhles eine diesbezügliche lehramtliche und das Gewissen festigende und klärende Enunziation erliesse; darauf gestützt könnte dann der Episkopat einerseits auch jene katholischen Kreise mit noch grösserem Nachdruck belehren und warnen, die noch immer mit dem

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Nationalsozialismus stark sympathisieren, anderseits könnte er eine weitere praktische Stellung einnehmen hinsichtlich des

[Kapitel III.:] Verhältnisses zur gegenwärtigen Regierung.

Der Episkopat ist zunächst überzeuhgt von der vollkommen legalen Stellungsnahme und korrekten Handlungsweise der jetzigen Staatsgewalt. Die Ausschaltung des Parlaments vollzog sich im Rahmen der bestehenden Gesetze und die darauf erfolgten Notverordnungen der Regierung wurden vom Verfassungsgerichtshof als gesetzlich anerkannt. Grundsätzlich muss aber besonders daran festgehalten und erinnert werden, dass es nicht nur ein geschriebenes positives Staatsrecht, sondern auch ein allgemein verbindliches Naturrecht gibt, das die Grundlage jedes positiven Rechtes bildet und das als höchste Norm jeder Staatsautorität und gesetzlichen Tätigkeit desn Satz aufstellt: salus populi suprema lex esto.

Wenn erfahrungsgemäss und nach dem Urteil wenigstens des pars sanior populi eine Staatsverfassung und gesetzgeberische Körperschaft nicht mehr dem Wohle des Volksganzen dient, sondern egoistische Parteiinteressen fördert, die ihrerseits wieder eine wahrhaft soziale und staatserhaltende und fördernde Tätigkeit behindern, so dass der Staat allmählich einem Chaos und einem die Existenz des Ganzen bedrohenden Zustand entgegen geht, dann ist es nicht nur Recht, sondern Pflicht der Staatsgewalt, die morschen Grandlagen durch die neue zu ersetzen und eine dem wahren Wohle dienende Reform anzubahnen und in die Tat umsetzen.

Daran ist die Staatsgewalt auch nicht gehindert durch

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den auf eine frühere Verfassung abgelegten Eid; erklärt doch auch der Codex J. C. Can. 1318, § 1, : „Jusjurandum promissorium sequitur naturam et conditiones actus cui adjicitur“, und Can 1319 : „Obligatio jurejurando promissorio inducta desinit….. 2°, sie res jurata substantialiter mutetur aut mutatis adjunctis, fiat sive malsasive omnino indifferens aut denique majus bonum impediat“.

Der österreichische Episkopat anerkennt daher nicht nur die vollkommen legale Stellung und Tätigkeit der gegenwärtigen Regierung, sondern kann ihre ganz in christlichem Geiste gehaltene Reformarbeit nur von Herzen begrüssen und fördern.

Eine Reihe von kirchen-und religionsfeindlichen Bestimmungen und Verordnungen wurde bereits aufgehoben, besonders auf dem Gebiete der Schule und hinsichtlich der Abfallspropaganda durch Freidenker und Sozialdemokraten; die staatsfeindliche Partei des Kommunismus und die illegalen Schutzformationen des sozialistischen sog. Schutzbundes wurden verboten; die politische Verhetzung der studierenden Jugend wurde eingedämmt; wahrhaft soziale Fürsorgemassnahmen wurden getroffen zur Behebung der Arbeitslosigkeit und Schaffung von Arbeitsgelegenheiten; aber namentlich begrüssenswert ist der offen bekundete Wille der Regierung, eine soziale Neuordnung des Staates auf berufständischer Grundlage im Sinne und Geiste des Rundschreibens „Quadragesimo anno“ zu schaffen und so die Jntentionen des Apostolischen Stuhles in vorbildlicher Weise und erstmals zu verwirklichen. Auch die Heeresmacht wurde ganz

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im katholischen Geiste reorganisiert und durch Wiedereinführung des Kruzifixes in den Ksasernen und Anbringung von Marienbildern an den Bändern militärischer Fahnen der christliche Charakter offenkundig betont.

Jn hervorragender Weise hat sodann die Regierung ihre ausgesprochen katholische Gesinnung betätigt und dokumentiert auf dem grossartigen Katholikentag in Wien. Da der Heilige Apostolische Stuhl selber dies in offenkundigster und auszeichnender Weise anerkannt und gewürdigt hat, erübrigt sich jede weitere Bemerkung.

Die bereits angekündigten und noch zu gewärtigenden Massnahmen der Regierung lassen noch weitere beste Wirkungen besonders hinsichtlich Schul-und Ehegesetzgebung im Geiste einer christlichen Staats-und Gesellscjhaftsreform erhoffen.

Der österreichische Episkopat hält es darum auch für angezeigt, im Anschlusse an die erbetene Kundgebung des Heiligen Vaters über den Nationalsozialismus ein diesbezügliches gemeinsames Hirtenwort der Bischöfe an die Gläubigen zu richten, worin ihnen das Urteil des Apostolischen Stuhles über den Nationalsozialismus zur Kenntnis gebracht und die Gewissenspflicht der Treue und loyalen Gesinnung gegen die gegenwärtige Staatsgewalt und Regierung ans Herz gelegt wird. Handelt es sich doch nicht um eine rein politische Angelegenheit, sondern um höchste kirchliche Jnteressen und um fundamentale staatsbürgerliche Pflichten, wie sie der Heilige Stuhl selber so oft und so entschieden betont hat.

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— Folio 25 recto 📄 —

Mit diesen Darlegungen glaubt der österreichische Episkopat, seiner ihm aufgetragenen Pflicht bezüglich Kundgebung seiner Wohlmeinung entspriochen zu haben, und unterwirft sich in demütigster und bereitwilligster Weise allen weiteren Weisungen des Heiligen Apostolischen Stuhles.

+ Theod. Kard. Innitzer

Theodor Kardinal Innitzer
Erzbischof von Wien,
im Namen des österreichischen Episkopates
Wien, am 29. September 1933
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